Presseartikel von damals
Revolution in der Medizin?
Revue, 14.8.1949: Klärung einer schicksalentscheidenden Frage
DEM HERFORDER WUNDERTÄTER BRUNO GRÖNING, der im Mai und Juni 1949 Tausende von hoffnungslos Kranken nach deren eigenen Angaben heilte, wurde sein weiteres Wirken durch die Unduldsamkeit von Ärzten und Behörden in Norddeutschland unmöglich gemacht. Am 3. Mai 1949 wurde Gröning verboten, seine Heiltätigkeit weiter auszuüben. Seit 29. Juni hat Gröning sich von der Öffentlichkeit zurückgezogen. Aber weder ist Bruno Gröning verschwunden, noch bleibt die Frage nach seiner wunderbaren Heilkraft ungeklärt. Denn die Revue hat Gröning den Weg in eine große medizinische Klinik geöffnet, in der er vor kritischen, aber unvoreingenommenen Ärzten seine Heilkraft unter Beweis stellen kann. Die Revue gab Gröning damit die Möglichkeit, vor modernen Wissenschaftlern zu beweisen: Ich heile Unheilbare. Die Revue beginnt heute mit der Veröffentlichung der Ergebnisse von 150 unangreifbaren Experimenten. Lesen Sie, was unsere Korrespondenten Bongartz und Laux, unter der wissenschaftlichen Leitung des Psychologen und Mediziners Prof. Dr. Fischer, in der Revue berichten.
Der Plan der Revue
Die Revue beginnt heute eine Veröffentlichung, deren Thema über das rein Journalistische weit hinausgeht. In ihrem Mittelpunkt steht ein einfacher, aber in wenigen Monaten zur Berühmtheit emporgestiegener Mann, Bruno Gröning, der in Herford und anderen Städten die für unheilbar gehaltenen Leiden Tausender von Kranken auf wunderbare, rätselhafte Weise heilte oder besserte. Kein Politiker, kein Wirtschaftler, kein Künstler hat in den Nachkriegsjahren die Menschen so bewegt, wie es Bruno Gröning getan hat. Auch die anderen Länder, sogar England und Amerika, wurden durch die Ausstrahlung seines Ruhmes und die sensationellen Presseberichte, die zwischen Lobpreisung, Skepsis und überheblicher Ablehnung schwankten, berührt. Die höhnische Verachtung nährte sich von Sensationen, unkontrollierten Gerüchten und sich widersprechenden Erzählungen. Sie entbehrte fast überall des nötigen Ernstes, der Verantwortung, der Unvoreingenommenheit und des Wissens um die Bedeutung des Problems, das durch Bruno Gröning über Nacht aus dem engeren Bereich medizinischer Fachauseinandersetzungen in die Oeffentlichkeit getragen worden ist.
Die medizinischen Fachmitarbeiter der Revue waren in einem anderen Zusammenhang schon seit längerer Zeit mit der Frage der seelischen Ursachen der meisten Krankheiten und mit dem Studium der in Deutschland häufig unbeachteten Entwicklung der entsprechenden Forschungen in der außerdeutschen Welt beschäftigt. Es ging im Falle Gröning nicht nur um die Person des Wunderdoktors, sondern um die bedeutungsvolle Frage der psychischen, das heißt seelischen Ursachen der Krankheiten und um die Berücksichtigung dieser Ursachen in der psychotherapeutischen Behandlung der Patienten. Gröning mochte ein Phänomen auf dem Gebiet seelischer Krankenbehandlung sein. Als daher in Norddeutschland die Kampagne um Gröning, vor dessen Wirkungsstätte sich an manchen Tagen bis zu sechstausend Menschen versammelten, immer chaotischere Formen annahm, fasst die Revue einen für eine Illustrierte ungewöhnlichen Entschluss.
Der Gegensatz zwischen den zahllosen Anhängern und den wenigen, aber einflussreichen Widersachern Grönings war inzwischen ins Unerträgliche gewachsen. Eine Ärztekommission und die Behörden in Herford erteilten Gröning Heilverbot. In Herford, Hamburg und vielen anderen Städten warteten jedoch Tausende von Kranken weiterhin auf die Hilfe des Wundermannes. Der beamteten Instanzen bemächtigte sich schließlich eine große Ratlosigkeit dem Phänomen Gröning gegenüber, so dass man für dieses Phänomen selbst ein unglückliches Ende befürchten musste. Würde Gröning aufgerieben werden zwischen der Macht der Gegner und der Macht der Gläubigen? Würde der einfache, intellektuell unbeholfene, aber von echtem Sendungsbewusstsein und ehrlicher Hilfsbereitschaft erfüllte Mensch Gröning durch „Förderer“ untergehen, die sich an ihn herangemacht hatten, aus seiner Heilkraft Kapital schlagen wollten und den Gegnern zahlreiche Blößen boten? Oder würde sich ein medizinisches oder anderes wissenschaftliches Institut in Deutschland dazu bereit erklären, wozu in den USA heute jede größere Klinik ohne Weiteres bereit wäre, nämlich Bruno Gröning aus ehrlichem Forschungsdrang heraus die Möglichkeiten geben, seine Fähigkeiten klinisch zu überprüfen? Nach fruchtlosen Erörterungen war Ende Juni zu befürchten, dass Gröning aufgerieben werden würde. Die Frage, ob ihm ein wunderbares heilsames seelisches Beeinflussungsvermögen zuerkannt oder aber ihm attestiert werden muss, dass seine vermeintlichen Fähigkeiten Irrtum seien, ja Scharlatanerie darstellen, blieb für Millionen von Leidenden unbeantwortet.
Zu diesem Zeitpunkt entschloss sich die Revue, einen Sonderkorrespondentenstab, bestehend aus Helmut Laux, Heinz Bongartz und einem Wissenschaftler, dem Marburger Psychologen und Mediziner Prof. Dr. H.G. Fischer, nach Norddeutschland zu entsenden. Der Stab sollte Gröning, dessen Spuren sich bereits zu verwischen begannen, aufsuchen. Er sollte sich durch genaue Untersuchungen einer größeren Reihe der von Gröning behandelten Fälle von den Erfolgen oder Misserfolgen seiner Heilungen überzeugen. Im Falle eines positiven Ausgangs dieser Voruntersuchung sollte der Revue-Stab sich ein Bild von den Verhältnissen um Gröning und von der Person Grönings selbst machen. Je nach dem Ergebnis dieser Ermittlungen hatte der Stab den Auftrag und die Mittel, Gröning von dem möglicherweise ungünstigen Einfluss seiner Umgebung zu trennen und ihm einen Weg aus dem erstickenden Tohuwabohu zwischen Gläubigen, Ärzten und bürokratischen Instanzen zu ebnen. Nach Erlangung seines Einverständnisses sollte Gröning in einem unbekannten, abgelegenen Ort ein Asyl erhalten. Gleichzeitig wurden von dem Revue-Stab Vorbereitungen getroffen, um bei einem günstigen Ausgang der Voruntersuchungen die Bereitschaft einer führenden deutschen Universitätsklinik zur Mitarbeit zu gewinnen. Sie sollte Gröning im Kreise eines Gremiums von Wissenschaftlern die Möglichkeit geben, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Im Falle eines Erfolges sollte ihm der Weg zu weiterem Wirken geebnet werden. Im Falle eines Misserfolges sollte ein klarer unanfechtbarer Bericht die Öffentlichkeit von dem negativen Ergebnis unterrichten. Dies war der Plan der Revue.
Seine Verwirklichung begann am 28. Juni 1949. Sie erbrachte Schwierigkeiten, Abenteuer und Überraschungen. Aber der Plan gelang, ohne dass die Öffentlichkeit – im Interesse der Sache – bis heute davon erfahren durfte. Für sie war Gröning seit dem 29. Juni 1949, 23.45 Uhr, in Hamburg verschwunden. Heute nun beginnt die Revue mit dem eingehenden Bericht der Korrespondenten und der leitenden Ärzte über die Vorgeschichte und Geschichte des größten und erstaunlichsten medizinischen Experimentes, das je mit Hilfe einer Zeitschrift ermöglicht wurde.
Bruno Gröning: Phänomen eines Seelenarztes
Von Helmut Laux und Heinz Bongartz unter wissenschaftlicher Leitung des Psychologen Professor Fischer
Auf den Spuren Bruno Grönings
Die Einstellung der Ärzte
Wir fuhren am 29. Juni, genau an dem Tag, an dem Gröning in Hamburg plötzlich spurlos verschwand, von Frankfurt ab. Wir Journalisten waren natürlich neugierig, Professor Fischer war zurückhaltend, obwohl auch er seine Neugier nicht ganz verbergen konnte. Aber er war entschlossen, mit Systematik an den Fall Gröning heranzugehen und sich nur langsam und gewissenhaft ein Urteil zu bilden. Unsere Zusammenarbeit mit Professor Fischer war vom ersten Tage an ausgezeichnet. Er hatte die übliche medizinische Schule durchlaufen. Er war in der Lage, als Schulmediziner Krankheitsbefunde, deren Verschlimmerung oder Heilung zu beurteilen. Andererseits war er Psychologe und praktizierte mit Hilfe der Psychoanalyse (Seelenforschung) und der Psychotherapie (Seelenheilkunde). In den Bereich der Seelenheilkunde musste Grönings Methode aber fallen, wenn sie sich tatsächlich als wirksam erwies. Es sei denn, Gröning verfügte über andere Kräfte, die auch der Psychotherapie bis heute noch unbekannt sind.
Wir kamen am Abend des 29. Juni in Bielefeld an, und der Zufall einer früheren Bekanntschaft Professor Fischers führte uns zuerst zu einer Begegnung mit dem Leiter der Heilanstalten in Bethel, Professor Schorsch. Professor Schorsch hatte in der Ärztekommission, die durch ihre Entscheidung zu dem Heilverbot für Gröning beigetragen hatte, eine wesentliche Rolle gespielt. Uns Presseleute wollte er gar nicht erst sehen, er empfing nur Professor Fischer und unterrichtete ihn über den Eindruck, den er von Gröning hatte: „Er ist ein ganz primitiver Mensch, vor allen Dingen hat er kein ‚Charisma‘.“ Für diejenigen, die das Wort nicht kennen, müssen wir hinzufügen, dass die Wissenschaftler darunter Sendungsbewusstsein verstehen. Schorsch meinte, das religiöse Sendungsbewusstsein, von dem Gröning in Herford und auch an anderer Stelle häufig geredet habe, sei reines Theater. Er handle vielmehr aus Egoismus und Selbstüberheblichkeit. Schorsch zeigte uns zum Beweis seiner Worte ein graphologisches Gutachten, welches dasselbe aussagte. Professor Fischer nahm sein Urteil zur Kenntnis. Professor Schorsch machte übrigens nicht den Eindruck bewusster Voreingenommenheit. Er schien etwas uninteressiert. Er war rundlich und gemütlich, und es sah so aus, als wolle er am liebsten von dem Falle Gröning überhaupt nicht mehr hören. Wahrscheinlich stürzte er sich nicht gerne in seelische Erregungen und wollte keine weiteren Ungelegenheiten haben. Er meinte, wir sollten uns nicht auf sein Urteil verlassen, sondern selbst in den Fall eindringen.
Professor Dr. Wolf, der Chefarzt der Städtischen Krankenanstalten in Bielefeld, zeigte sich aufgeschlossener. Er schien durchaus unserer Ansicht zu sein, dass der Fall Gröning ohne Vorbehalte geprüft werden müsse. Er wies aber darauf hin, dass man Gröning bekanntlich angeboten habe, in Kliniken seine Kunst unter Beweis zu stellen. Was solle er davon halten, dass Gröning dieses Angebot abgelehnt habe. Ob man es den Ärzten verdenken könne, wenn sie einen Mann mit außerordentlicher Skepsis verfolgten, der sich weigerte, vor ihnen seine Fähigkeiten zu zeigen?
Warum, so fragten wir uns natürlich auch, war Gröning einer solchen klinischen Beobachtung und Begutachtung seiner Behandlungsmethode ausgewichen? Hatte Gröning Grund, Professor Wolfs Objektivität anzuzweifeln? Als Professor Fischer einige Wochen später Gröning veranlasste, vor den Ärzten der Bielefelder Städtischen Krankenanstalten zu praktizieren, musste er leider erleben, dass auch dort nur eine Absicht bestand, nämlich Gröning bei scheinbarem Entgegenkommen zu vernichten, indem man ihn lediglich an Fälle heranführte, denen niemand mehr helfen konnte, auch Gröning nicht. Professor Fischer musste deshalb darauf verzichten, Grönings Methoden vor den Bielefelder Ärzten begutachten zu lassen.
Ferner hiess es, dass der Detmolder Amtsarzt Dr. Dyes Gröning gegenüber geäußert hatte, er könne so viele Beweise seiner Heilkunst erbringen, wie er wolle, man werde ihn doch an der Arbeit hindern! Professor Fischer fragte daher von Herford aus bei Dr. Dyes telefonisch an, und Dr. Dyes machte aus seiner Äußerung keinen Hehl. Auf ihn habe Gröning einen schlechten Eindruck gemacht. Dr. Dyes war voll von ärztlichem Hochmut und mit seiner eigenen Haltung ausserordentlich zufrieden.
Gröning hatte auf diese Weise jedes Vertrauen an eine objektive Einstellung der Ärzte verlieren müssen, so dass es ihm nicht verübelt werden konnte, wenn er auf die angebotenen Krankenhausexperimente nicht eingegangen war. Der wache Instinkt des ursprünglich einfachen Menschen hatte die unfairen Absichten, die auf ihn lauerten, gespürt.
Die Flut chronischer Krankheiten, die seelisch bedingt sind
Am 30. Juni begannen wir zunächst in Nordrhein-Westfalen, anschließend aber bis in den Raum von Hamburg hinauf mit der Untersuchung von Patienten, die Gröning behandelt und dem Vernehmen nach geheilt hatte. Dies war leichter gesagt als getan.
Die von Gröning behandelten Kranken waren in ihre Heimatorte zurückgekehrt. Niemand hatte ihre Namen und Adressen genau festgehalten. Gröning hatte in der Art eines Wanderheilkundigen im wahrsten Sinne des Wortes wild drauflos behandelt, und außer Erzählungen, Pressenotizen, Behauptungen und Gerüchten gab es auch aufseiten seiner Anhänger keinerlei exaktes Material über seine Tätigkeit. Wir hätten wahrscheinlich erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden gehabt, wenn uns nicht ein reiner Zufall in Bielefeld mit einem Manne zusammengeführt hätte, der schon vor uns versucht hatte, sich einen gewissen Überblick über die tatsächlichen Erfolge Grönings zu verschaffen.
Dieser Mann war der Bezirksdirektor einer Krankenkasse, namens Lanzenrath, klug, sachlich und mit Weitblick. Ihm war es gelungen, bis in die „Gefolgschaft“ vorzudringen, die sich – sei es aus Gläubigen, sei es aus Geschäftemachern, darüber konnten wir damals noch nicht urteilen – um Gröning gebildet hatte und nach dessen Abreise nach Hamburg zum Teil im Hause Hülsmann in Herford, wo Gröning gewirkt hatte, zurückgeblieben war. Von Grönings Fähigkeit, zahlreiche Krankheiten zu beeinflussen und zu heilen, war er ebenso überzeugt wie von seiner persönlichen Bescheidenheit. Aber er befürchtete, dass die „Gefolgschaft“ die guten Eigenschaften Grönings auf falsche Wege lenken würde. Lanzenrath selbst war uns gegenüber zunächst misstrauisch. Aber auch hier war es Professor Fischer, der unserer Gruppe die Türen öffnete und Lanzenrath dazu bewog, uns weiterzuhelfen und uns aus seiner Kenntnis heraus Fälle zu nennen, aus deren genauer Untersuchung man Schlüsse auf die Ernsthaftigkeit des Phänomens Gröning ziehen konnte. Die Motive, die Lanzenrath in die Umgebung von Gröning geführt hatten, waren übrigens außerordentlich interessant. Zwar hatte auch ihn eine Krankheit, ein schmerzhaftes Nierenleiden, zu Gröning geführt. Seitdem war er – zwei Monate waren inzwischen vergangen – schmerzfrei geblieben. Gleichzeitig aber hatte ihn das Schicksal der Krankenkassen veranlasst, Verbindung zu Gröning zu suchen. Er erzählte uns, dass die deutschen Krankenkassen von finanziellen Zusammenbrüchen bedroht seien, weil sie sich geradezu einem Meer von chronischen Krankheiten gegenübersehen, die einfach nicht heilen wollen. Er bestätigte damit natürlich etwas, das den Psychotherapeuten, die aufmerksam unsere Zeit beobachten, durchaus bekannt ist. Der zweite Weltkrieg mit allen seinen Erschütterungen hat eine wahre Flut von Krankheiten hinterlassen, die zum überwiegenden Teil seelische Ursachen haben, sich aber in organischen Erscheinungen äußern, angefangen von der Unzahl der Magenerkrankungen und rheumatischen Erkrankungen bis zu den ausgesprochenen Neurosen oder Lähmungen. Die Psychologen haben für diese Krankheiten den Begriff der sogenannten psychosomatischen Krankheiten geschaffen. Nach der Währungsreform konnte man statistisch ein neues Anschwellen der Zahl von Krankheiten feststellen, die früher niemals in diesem Umfang aufgetaucht waren und die man nur schwerlich auf organische Ursachen zurückführen konnte. Lanzenrath hatte in der Tat gehofft, bei Gröning eine Heilmethode zu finden, die vielleicht einmal zur Erleichterung der überlasteten Kassen dienen könne. Lanzenrath hatte eine größere Anzahl von Behandlungen und Heilungen genau verfolgt. Er führte uns zunächst an etwa 20 Fälle heran, bei denen wir im Zeitraum einer Woche durch sorgfältige Analysen und Untersuchen und, sofern möglich, durch Unterredungen mit den jeweiligen Hausärzten die für uns entscheidende Frage zu klären suchten: Kann Gröning heilen?
Am 8. Juli übersahen wir die Ergebnisse der 20 Untersuchungen. Unter den 20 Fällen waren 7, die vielleicht interessant und hier und da sogar etwas geheimnisvoll waren, aber kein klares Bild ergaben für oder gegen Gröning. Da wir uns ausgerechnet zuerst mit diesen 7 Fällen abmühten, waren wir am dritten Tag der Untersuchungen geneigt, zu verzweifeln. Wenigstens galt das für uns Laien.
Das Wohnungsamt
Da war etwa der Fall Klüglich in Bielefeld. Klüglich, ein kleiner Angestellter, hatte während des Krieges einen Nierendurchschuss bekommen. Die verletzte Niere funktionierte nur noch beschränkt. Nach dem Krieg befiel die zweite Niere eine heftige Entzündung, die schließlich so weit fortschritt, dass die behandelnden Ärzte an eine Operation dachten. Röntgenaufnahmen und sonstige Befunde lagen uns vor. Vor Pfingsten hatte Klüglich sich durch einen Brief über Lanzenrath an Gröning gewandt. Dieser hatte zunächst „ferngeheilt“ und Klüglich gebeten, genau zu beobachten, was sich in den nächsten Tagen in seinem Körper ereignen werde. Klüglich stellte eine gesteigerte Nierentätigkeit, viel tief gefärbten Urin und danach eine wachsende Erleichterung seiner Beschwerden fest.
Auch der behandelnde Arzt konstatierte eine Besserung. Gröning besuchte Klüglich anschließend persönlich, und die Besserung hielt an. Klüglich hatte das Bett verlassen und unternahm Spaziergänge. Doch in dem Augenblick, in dem wir ihn besuchten und Professor Fischer ihn untersuchte, hatte sich sein Zustand wieder verschlimmert. Der Professor fand schnell heraus, dass Klüglich auf Grund seiner Krankheit durch das Wohnungsamt ein zusätzliches Zimmer bekommen hatte. Auf Grund der schnell umlaufenden Nachrichten über seine „Heilung“ hatte das Wohnungsamt ihm mitgeteilt, es müsse ihm unter diesen Umständen das Zimmer wieder entziehen. Am gleichen Tage setzte die Verschlimmerung seines Zustandes wieder ein. Es handelte sich offenbar um keine Simulation, sondern um eine echte Verschlimmerung, die aber zweifellos auf eine seelische Ursache, nämlich die Angst vor dem Verlust des Zimmers und die Gedankenverbindung Krankheit und Besitz des Zimmers, zurückzuführen war. Von einer Heilung zu sprechen, war natürlich Unsinn. Die Schulmedizin konnte in diesem Fall darauf hinweisen, dass es Gröning lediglich gelungen war, den Kranken aus einer tiefen Lethargie zu reissen und dadurch vorübergehend seine Widerstandskraft zu erhöhen. Sie gab zwar damit die unmittelbare Verbindung von seelischer Behandlung und körperlicher Widerstandskraft bei Krankheiten zu, hatte aber recht, wenn sie die These einer Heilung zurückwies. Offen blieb natürlich die Frage, was Gröning bei einer fortgesetzten Beeinflussung hätte erreichen können.
Sie saß auf ihrer Ladenkasse
Da war zweitens der Fall der Frau W., ebenfalls in Bielefeld. Sie war Witwe und Besitzerin eines Fahrradgeschäftes. Von einem Sessel in der Küche aus, die hinter ihrem Laden lag, beherrschte sie das Geschäft und die Familie. Seit 15 Jahren litt sie nachweislich an Gehbeschwerden und wassersüchtigen Anschwellungen in den Beinen. Herz und Nierentätigkeit waren jedoch normal. Dagegen gab es Anzeichen eines verschleppten Gelenkrheuma. Gröning hatte ihr eine halbe Stunde gegenübergesessen und ihr baldige Besserung vorausgesagt. Seitdem konnte sie wieder über den Hof gehen und fühlte sich recht wohl. Der Professor stellte fest, dass die Ödeme nur geringfügig waren. Eine Untersuchung mit der behandelnden Ärztin ergab ebenfalls die Feststellung eines fühlbaren Rückganges der Anschwellungen, seitdem Gröning Frau W. besucht hatte. In letzter Zeit schienen die Beschwerden jedoch wieder leicht zuzunehmen. Hatte auch hier eine psychische Aufmunterung und Belebung eine vorübergehende Besserung gebracht, die zwar wiederum die enge Verbindung von Seelenzustand und Krankheit zeigte, aber für uns nicht beweiskräftig genug war? Es sei denn, man erhofft auch hier durch eine laufende Behandlung Grönings einen fortschreitenden und endgültigen Erfolg. Interessant war die Feststellung, dass Frau W. seit vielen Jahren auf ihrer Ladenkasse saß und dass aus dem Zwangskomplex, die Kasse ununterbrochen behüten zu müssen, die an Lähmung grenzenden Gehbeschwerden eine entscheidende Förderung erhalten haben konnten. Wahrscheinlich hatte Gröning auch diesen Zwangskomplex vorübergehend beseitigt, was immerhin eine bemerkenswerte Leistung blieb, für die ein normaler Psychotherapeut nicht eine halbe Stunde, sondern Tage oder gar Wochen benötigt hätte. Aber auch diese Leistung reichte nicht aus, um etwas so Ungewöhnliches hinter Gröning zu suchen, dass wir für große klinische Experimente hätten eintreten können.
Gröning gab ihr eine Silberkugel ...
Da war schließlich der Fall Schwerdt in Bielefeld. Es handelte sich hier um zwei Patienten. Um ein Mädchen, Tochter eines kleinen Beamten oder Angestellten, deren Mutter einen bedrückenden Einfluss auf die Tochter ausübte. Zweitens um einen Mann, der eine Fabrik besaß und allem Anschein nach von seiner erbsüchtigen Verwandtschaft überwacht wurde. Der Mann und das Mädchen waren ein Verhältnis miteinander eingegangen, wodurch der Mann in heftige Konflikte mit seiner Familie geriet. Das Mädchen sah sich dauernden Vorwürfen der Mutter gegenüber, die nichts von der Sache mit dem reichen Mann wissen wollte, weil „daraus nichts werden könne“. Beide, der Mann und das Mädchen, verloren schließlich den Mut. Sie trennten sich. Das Mädchen erkrankte an einer ungewöhnlich schweren Herzneurose, die sie zu dauerndem Liegen zwang. Der Mann verunglückte um die gleiche Zeit und blieb im Bett liegen, auch als die Verletzung längst ausgeheilt war. Es trieb ihn zu der Geliebten. Um diesem Trieb nicht zu folgen, steigerte er sich in sein Kranksein hinein und verschanzte sich in seinem Bett. Gröning behandelte den Fall. Er erwirkte durch einen ersten Besuch bei dem Mädchen eine wesentliche Besserung, so dass Fräulein Schwerdt das Bett verlassen konnte. Sie besuchte dann Gröning und nannte ihm zusammen mit anderen Namen von Kranken, denen er helfen müsse, auch den Namen des Fabrikanten, ohne sich näher über ihn zu äußern. Aber Gröning ahnte offenbar die wirklichen Zusammenhänge. Er zog das Silberpapier einer Zigarettenpackung aus seiner Tasche, knüllte es in seiner Faust zusammen und gab die so entstandene Kugel dem Mädchen mit dem Befehl, sie so lange in der Hand zu halten, bis sie sie dem genannten Manne persönlich in die Hand geben könne. Er werde dann gesund werden. Fräulein Schwerdt trug die Kugel 36 Stunden in der Hand.
Unterdessen hörte der Mann durch die überall herumjagenden Gerüchte von Grönings Erfolgen und seiner Anweisung an Fräulein Schwerdt. Die Neugier trieb ihn aus dem Bett und zu dem Mädchen. Das zerrissene Verhältnis wurde dadurch wieder hergestellt, und beide fühlten sich wieder gesund. Auf Professor Fischers Frage, ob sie beide sich denn nun wieder regelmäßig sähen, erklärte das Mädchen: „Ja – leider.“ Der eigentliche Konflikt, der das ganze Unheil herbeigeführt hatte, die Spannungen mit der Mutter beziehungsweise mit der Verwandtschaft waren also – denn sie sagte „leider“ – nicht ausgeräumt und konnten über kurz oder lang den alten Zustand wieder hervorrufen.
Der Eindruck auch dieses Falles war zwiespältig. Aber immerhin, Gröning hatte auch hier ein durch seelische Komplexe hervorgerufenes Leiden in erstaunlich kurzer Zeit beseitigt, mit bemerkenswerter Einfühlungsgabe richtig die Zusammenhänge erkannt und mit der Kügelchenmethode einen Kunstgriff angewandt, dessen sich der beste Psychotherapeut nicht zu schämen brauchte. Er hatte allerdings übersehen, dass der auslösende Komplex erhalten geblieben war. Der Fall Schwerdt war der erste Fall, der Professor Fischer für Gröning einzunehmen begann. Wenn sonst nichts Ungewöhnliches an Gröning zu finden sein würde, man konnte nicht leugnen, dass er eine überraschende Naturbegabung zum Psychotherapeuten besass.
Das streikende Motorrad
Überaus merkwürdig war der sogenannte Fall Wehmeyer. Wehmeyer war ein Fuhrunternehmer in Herford. Tätig, kräftig, mit gesunden Nerven, bestimmt nicht dazu geeignet, sich etwas vorzumachen. Er hatte also auch Gröning aufgesucht, um Hilfe für seine Frau zu finden, die wegen eines, im Einzelnen nicht genau festlegbaren chronischen Krankheitszustandes in einer Klinik in Münster lag. Gröning hatte ihm dabei erklärt: „Ihre Frau wird den Wunsch äußern, in einer bestimmten Zeit nach Hause zu kommen. Sie selbst dürfen aber nicht vorher hinfahren und Ihre Frau zu dieser Heimkehr veranlassen.“ Wehmeyer war, wie gesagt, ein Mann, der weder an Hellseherei glaubte, noch sich gerne Vorschriften machen ließ. Er sattelte also entgegen den Anweisungen Grönings sein Motorrad und machte sich auf den Weg nach Münster zu seiner Frau. Dabei nun ereignete sich der merkwürdige Vorfall, mit dem er einfach nicht fertig wurde: Unterwegs streikte das Motorrad. In Bielefeld begab er sich damit zu einer Reparaturwerkstätte. Diese untersuchte das Rad von oben bis unten, das Rad war in Ordnung. Es hätte fahren müssen. Der Monteur wechselte die Kerzen, tat alles Mögliche, er begriff nicht, wieso das Motorrad nicht fuhr. Er sagte ratlos, Herr Wehmeyer solle am besten wieder nach Hause fahren. Wehmeyer machte sich auf den Rückweg. Und in dem Augenblick, in dem er wieder Kurs auf Herford nahm, lief das Motorrad, als ob ihm nie etwas gefehlt hätte. Er wendete erfreut. Sofort stand es still. In Richtung Münster lief es nicht.
Noch ganz ergriffen von diesem geradezu spukhaften Ereignis reiste Wehmeyer dann einige Zeit darauf mit der Bahn nach Münster. Dort äußerte seine Frau tatsächlich spontan, sie möchte sofort nach Hause. Sie fühlte sich wesentlich besser und auch der Abteilungsarzt erklärte, dass er mit seiner Behandlung nun fertig sei.
Der heiße Strom
Ein ungewöhnlicher Anfangserfolg
Am fünften Tage unserer Untersuchung erlebten wir die erste wirklich große Überraschung. Und von diesem Tage an folgte eine Überraschung der anderen, um schließlich zu einem Vorkommnis zu führen, das man ohne Übertreibung als eine Sensation bezeichnen musste.
Wir waren nach Hamburg gefahren, weil Lanzenrath dort einen Fall kannte, der ihm besonders eindrucksvoll zu sein schien. Der Fall war außerdem ärztlich gut beobachtet worden. Es handelte sich um das Töchterchen eines Herrn Mendt, der eine Autoreparaturwerkstätte in Hamburg unterhielt. Das Kind hatte eine spinale Kinderlähmung überstanden, aber Lähmungserscheinungen in den Beinen zurückbehalten.
Es gab hier eine genaue, sorgfältig erarbeitete Vorgeschichte mit klarer Diagnose. Gröning hatte das Kind auf seine übliche Weise behandelt, durch ruhiges Gegenübersitzen, langsame Fragen nach seinen körperlichen Empfindungen, allenfalls durch ein leichtes Streichen mit der Hand. Dann hatte er den Auftrag zurückgelassen, in den kommenden Tagen die weiteren Empfindungen des Kindes genau aufzuzeichnen. Dies war sorgfältig geschehen, und Professor Fischer las nun, dass das Kind ziehende Schmerzen in den Beinen in Richtung auf das Kreuz verspürt hatte. Sie steigerten sich und machten einer zunehmenden Wärme und starken Durchblutung der gelähmten Beine Platz. Das Kind begann wieder Bewegungen zu machen, zu denen es vorher nicht in der Lage gewesen war. Professor Fischer untersuchte die Glieder des Kindes genau und fand, dass sie erstaunlich gut durchblutet waren. Die ganzen Vorgänge erinnerten ihn an das Prinzip des „autogenen Trainings“, ohne dass es allerdings bisher gelungen wäre, diese Methode bei spinaler Kinderlähmung erfolgreich anzuwenden. Das „autogene Training“ wurde von Prof. I.H. Schulz, ehemals Dozent für Psychotherapie an der Universität Jena, entwickelt und in Deutschland gelehrt. Schulz‘ Methoden waren im Grunde nichts anderes als die Anwendung der alten berühmten und für jeden Europäer geheimnisvollen Praxis der indischen Joga auf die moderne europäische Medizin. Sie setzte aber die von ihm ausgebildeten Ärzte in den Stand, durch eine seelische Beeinflussung, die mit Hypnose nicht verwechselt werden darf, den Blutkreislauf ihrer Patienten in bestimmte Körperteile zu lenken. Das gelang ihnen nicht in allen Fällen. Vor allen Dingen erforderte es wochenlange, manchmal monatelange Mühe, die wirklich den Namen „Training“ verdiente. Hier im Falle Mendt hatte Gröning einen Anfangserfolg errungen, der ganz ungewöhnlich war. Selbst wenn ein medizinisch ausgebildeter Psychotherapeut diesen Fall angegangen wäre, hätte er im besten Fall viele Wochen gebraucht, um das Ergebnis zu erreichen, das Gröning in einer halben Stunde zuwege gebracht hatte. Fischer hatte noch eine lange Unterredung mit dem Hamburger Professor Burckhard, und beide waren durch den Erfolg so gepackt, dass Professor Fischer zum ersten Male äußerte, er sei jetzt der Ansicht, dass Gröning über ungewöhnliche psychotherapeutische Kräfte, vielleicht über ein eigenes Strahlenfeld oder irgend etwas anderes verfüge, das im großen klinischen Versuch erforscht werden müsse. Ebenso müsse die Beeinflussungsmöglichkeit spinaler Kinderlähmung und deren Folgeerscheinungen durch eine laufende Behandlung über längere Zeit beobachtet werden.
Kein Arzt konnte ihm helfen
Schon der folgende Tag brachte eine neue, eindrucksvolle Überraschung. Lanzenrath hatte uns zu einem weiteren Patienten Grönings geführt, einem Herrn Kargesmeyer in Bad Oeynhausen. Kargesmeyer war 47 Jahre alt und litt seit seinem zweiten Lebensjahr an Kopfschmerzen, die sich im Laufe der Zeit zu einer schweren Trigeminusneuralgie entwickelten. Hierunter versteht man Schmerzen der Gesichtsnerven, die zu den furchtbarsten Leiden gehören, die es gibt. Die Heftigkeit dieser Schmerzen kann Menschen zum Selbstmord treiben. Das Leiden ist durch den normalen Arzt kaum zu beeinflussen. Die Schmerzlinderung durch Medikamente bleibt unvollkommen. In ganz verzweifelten Fällen versucht man, die Nerven durch Alkoholeinspritzungen zu veröden oder einfach durchzutrennen. Jedesmal handelt es sich um schwierige und im Ergebnis keineswegs sichere Eingriffe. Kargesmeyer war verschiedentlich operiert worden. Schließlich hatte man in einer Klinik in Münster durch eine Radikaloperation Mandeln und Nebenhöhlen ausgeräumt, weil vermutet wurde, dass dort lokalisierte Entzündungsherde die Ursache der Gesichtsschmerzen seien. Die Operation war ohne Einfluss auf die Neuralgie geblieben. Natürlich war es möglich, dass die genannten Entzündungen ursprünglich die Neuralgie hervorgerufen hatten. Aber nach ihrer Entfernung war der Schmerz in den Gesichtsnerven „fixiert“ geblieben, ähnlich den furchtbaren Schmerzen, die häufig Amputierte in den Nerven der Amputationsstümpfe empfinden und dabei den Eindruck haben, als durchziehe der Schmerz den ganzen nicht mehr vorhandenen Arm oder ein amputiertes Bein. Gröning hatte Kargesmeyer behandelt. Er hatte ihn aufgefordert, den Kopf fest zwischen die Hände zu nehmen.
Danach empfand Kargesmeyer einen heißen Strom im Gesicht. Der Schmerz hielt noch einige Tage an, verschwand dann aber von Tag zu Tag mehr. Er war schon seit vier Wochen schmerzfrei.
Auch hier hatte offenbar eine ungewöhnliche Fähigkeit zur Blutkreislenkung zum Erfolg geführt. Vielleicht waren auch noch andere Faktoren wirksam. Aber das konnte in diesem Augenblick für uns keine Rolle spielen. Bisher waren nur verschwindend wenige Fälle von Behandlung der Trigeminusneuralgie durch Psychotherapie bekannt. Und auch dabei hatte es Wochen und Monate gedauert, bis man einen Erfolg erreichte. Gröning hatte es in einer kurzen Sitzung geschafft – eine bis heute beispiellose Leistung.
Der berühmte Fall Dieter Hülsmann
Am nächsten Tage waren wir wieder in Herford, und Lanzenrath schlug Fischer vor, sich noch den Fall Dieter Hülsmann anzusehen. Es handelte sich um den neunjährigen Sohn des Ingenieurs Hülsmann, durch dessen angebliche Heilung Gröning aus seiner Verborgenheit herausgehoben worden war. Wir betraten zum ersten Male das Haus, von dem Grönings Ruhm ausgegangen war und in dem er sich bis vor Kurzem aufgehalten hatte. Dieter Hülsmann hatte niemals richtig gehen gelernt. Man hatte aber den wirklichen Charakter seines Leidens nicht erkannt. Lange Zeit war er in Gipsverbände gepresst worden. Schließlich hatte man in der Universitätsklinik in Münster progressive Muskeldystrophie, also fortschreitenden Muskelschwund, festgestellt.
Nach anschließendem, fast einjährigem Aufenthalt in Bethel erklärte einer der dortigen Ärzte: „Sie können den Jungen hierlassen. Sie können den Jungen auch mit nach Hause nehmen. Helfen kann ihm niemand.“ Das Kind konnte schliesslich nicht mehr sitzen, hatte eiskalte Beine. Angewärmte Decken, Wärmflaschen und Heizkissen waren nicht in der Lage, die dauernde Kälte und Gefühllosigkeit zu beseitigen. In diesem Zustand hatte Gröning eine einmalige Behandlung vorgenommen. Der Junge empfand kurz darauf heftiges Brennen im Rücken und eine plötzliche Durchwärmung der Beine. Sie hielt an und führte dazu, dass der Junge, wenn auch schaukelnd, wieder gehen konnte.
Der Fall Dieter Hülsmann war am heftigsten in den Streit der Meinungen gezerrt worden, und auf beiden Seiten hatte man sich unhaltbaren Übertreibungen hingegeben. Es konnte sicherlich nicht von einer Heilung die Rede sein. Aber ebenso war die Behauptung, es habe sich durch Grönings Behandlung nichts geändert, eine boshafte Entstellung. Professor Fischer war nach genauerer Untersuchung der Ansicht, dass es sich in Wirklichkeit um eine neurotische progressive Muskelatrophie handelte, also um eine Degeneration des Nervs, der sich vom Rückenmark zu den Muskeln hinzieht und offenbar deren Ernährung und Entwicklung beeinflusst. Den Ausgangspunkt der Degeneration bilden wahrscheinlich die Vorderhornzellen. In sie münden die Nervenfasern, die vom Großhirn kommen, ein. Ohne dass diese Fasern unmittelbare Berührung mit den Nerven hatten, die zu den Muskeln führen, findet hier eine Übertragung oder Umschaltung der vom Gehirn kommenden Impulse statt. Es war nicht zu leugnen, dass die degenerierten Nerven eine ungewöhnliche Belebung erfahren und diese Belebung an die Muskeln der Beine weitergegeben hatten. Das, was uns jedoch am meisten erstaunte, war die Tatsache, dass Gröning eine Diagnose gestellt hatte, die der anatomischen Wirklichkeit geradezu unheimlich nahekam.
Kargesmeyer hatte schon behauptet, Gröning habe ihm, ohne ihn zu befragen, gesagt, dass er an Gesichtsschmerzen leide und dass diese ihn schon seit seinem zweiten Lebensjahr quälten. Wir hatten die für die Übertreibung eines dankbaren Patienten gehalten. Bei Dieter Hülsmann lag jedoch ein klarer, von Zeugen bestätigter Bericht über Grönings Diagnose vor. Gröning hatte von einem Nervenriss im Rückenmark gesprochen und dabei die Stelle umschrieben, an der sich die erkrankten Vorderhornzellen befinden. Hier hatte der Junge dann das erwähnte Brennen und nachher ein eigenartiges Flattern empfunden, das Gröning als beginnende Regeneration bezeichnete und mit dem Flackern einer Glühbirne verglich, in die langsam Strom „einfließt“. Diese Erklärung klang primitiv. Aber sie reichte eben so nah an die Wirklichkeit heran, dass dieses Erlebnis uns tief berührte.
An der Schwelle des Unheimlichen
Die letzte Entscheidung für Gröning fiel jedoch durch ein Erlebnis, das wir kurz nach der Untersuchung Dieter Hülsmanns durch Professor Fischer hatten. Wir wurden in ein Wohnzimmer geführt, ohne zu ahnen, dass Gröning hier gearbeitet hatte. Professor Fischer setzte sich müde in einen der umherstehenden Sessel. Fast im gleichen Augenblick wurde sein Gesicht totenbleich. Er rang nach Atem, beherrschte sich aber sehr schnell. Dann sah er uns aus schmalen Augen an, so, als habe ihn eben eine rätselhafte Gewalt berührt, deren Herkunft er sich nicht erklären konnte. Er sagte uns, er habe im Augenblick des Niedersitzens einen heftigen Schmerz in der rechten Nierengegend und gleichzeitig Herzklopfen und Atemnot gespürt. Seine rechte Niere war früher mehrfach von Entzündungen befallen worden. Sie bildete das am wenigsten widerstandsfähige Organ seines Körpers. Wir rätselten noch um das sonderbare Phänomen herum, als Lanzenrath ins Zimmer kam und uns sagte, der Professor sitze ausgerechnet in dem Stuhl, in dem Gröning seine Kranken behandelt habe.
Gröning hatte immer behauptet, er könne in dem Stuhl besondere Kräfte hinterlassen. Ob der Professor etwas davon gemerkt habe? „Allerdings“, sagte Fischer in die etwas bedrückende Stille hinein, die von uns ausging. Aber er war bereits mit irgendeinem Plan beschäftigt. Er bat Lanzenrath plötzlich, mitzukommen und begab sich in den Garten, in dem genau so wie am Tage unserer Ankunft in Herford Kranke geduldig oder verzweifelt warteten. Er suchte unter ihnen nach einer Gelähmten und fand ein junges Mädchen, das hilflos, mit unbeweglichen Beinen in einer Laube lag. Er trug sie mit Hilfe Lanzenraths ins Wohnzimmer, wo sie in den geheimnisvollen Stuhl gesetzt wurde. Dann begann er sie so zu behandeln, wie er es als Psychotherapeut gewohnt war. Er fand schnell die Ursache ihrer Lähmung heraus.
Das Mädchen Anni Schwedler, 21 Jahre alt, stammte aus Darmstadt und hatte im Herbst 1944 einen schweren Luftangriff auf diese Stadt erlebt. Anni war mit ihrer Mutter und etwa 20 anderen Personen im Luftschutzkeller einer Brauerei verschüttet worden. Allen anderen, einschließlich ihrer Mutter, gelang es, durch einen Notausgang, der gerade weit genug geöffnet werden konnte, um einen Menschen durchzulassen, zu entkommen. Auf irgendeine Weise wurde aber der Körper des Mädchens in der Maueröffnung festgeklemmt. Das Haus brannte lichterloh. Die Haare des Mädchens fingen schon Feuer. Erst im letzten Augenblick gelang es einem Luftschutzwart, Anni nach draußen zu zerren und ihre bereits brennenden Kleider durch Wassergüsse zu löschen. Noch während sie jetzt berichtete, zeigte ihr entsetzter Gesichtsausdruck die inneren Vorgänge, die sich damals in ihr abgespielt haben mussten. Schon kurz nach ihrer Rettung hatte sie eine Unsicherheit im Gehen gefühlt. Einige Tage später begann sie zu stolpern. Ihr Gang wurde immer unsicherer, bis ihre Beine schließlich völlig gelähmt waren. Jede ärztliche Behandlung hatte sich als erfolglos erwiesen. Und nun saß das Mädchen in dem merkwürdigen Stuhl, der Professor Fischer einen so starken Schock versetzt hatte.
Der Professor kombinierte, während das Mädchen zu Ende erzählte, folgendermaßen: Wenn Gröning in seinem Stuhl geheimnisvolle Heilkräfte hinterlassen hatte, dann müssten diese Kräfte auch in seiner Abwesenheit auf Kranke wirken können. Er erzählte dem Mädchen kurz von Gröning, und dass er in diesem Zimmer bereits vielen Gelähmten geholfen habe. Er tat noch ein Übriges, er zeigte dem Mädchen das Bild von Gröning. Dann befahl er, von innerer Spannung geladen, ganz unvermittelt: „Stehen Sie auf!“ Er dachte sich dass Gröning ähnlich handeln würde.
Das Gesicht des Mädchens strahlte urplötzlich auf, Anni erhob sich fast mit Schwung aus dem Sessel und war so erstaunt und überwältigt von der Fähigkeit, aufzustehen, dass sie zuerst gar keinen Schritt zu tun wagte. Der Professor befahl nochmals: „Nun gehen Sie!“ Lanzenrath, der dabeistand, musste das Mädchen leicht bei der Hand fassen, dann ging es mit noch unsicheren Schritten und unter Freudentränen quer durch das ganze Zimmer bis zu dem Stuhl, in dem Annis völlig überwältigte Mutter saß. Hier brach Anni Schwedler jedoch zusammen. Das Experiment musste zum zweitenmal durchgeführt werden. Auch bei diesem zweiten Versuch zeigte Fischer der Patientin des Bild Grönings und stellte dabei Zeichen einer starken Durchblutung der bis dahin gelähmten Beine, Rötung und Wärmeentwicklung fest. Das Mädchen erhob sich wiederum. Die Befehle des Professors hießen es, einige Male aufstehen und sich wieder hinsetzen. Das Aufstehen gelang immer besser. Schließlich war das Mädchen in der Lage, den ganzen Weg aus dem Zimmer über den Hof bis zu einer gegenüberliegenden Straße zurückzulegen, von wo aus es dann im Wagen zu einem Herforder Verwandten gebracht wurde.
Wir alle hatten mit atemloser Spannung dem Experiment zugesehen. Am gleichen Abend noch benachrichtigten wir die „Revue“, dass wir unseren Aufenthalt in Norddeutschland ausdehnen müssten. Es gebe keinen Zweifel mehr daran, dass Gröning ein Phänomen sei, über das man sich durch die geplanten klinischen Experimente klar werden müsse. Wir wollten am kommenden Tag den Versuch unternehmen, mit Gröning Verbindung aufzunehmen, um ihm den Weg zu Ärzten der Heidelberger Universitätsklinik zu bereiten, damit er vor ihnen seine Fähigkeiten unter Beweis stellen kann.
Ablauf der Ereignisse um Bruno Gröning seit März 1949
Die Verwirrung dieser Ereignisse ist so groß, dass es nur mit viel Mühe gelang, sie in eine für den Außenstehenden halbwegs verständliche Ordnung zu bringen.
18. März 1949:
Grönings Stern geht plötzlich in Herford auf. Die angebliche oder wirkliche Heilung des an Muskelatrophie leidenden Sohnes Dieter des Herforder Ingenieurs Hülsmann wird in der Öffentlichkeit bekannt. Die Nachricht von weiteren Heilungen gesellt sich hinzu. Gerüchte und Meldungen verbreiten sich mit Windeseile. Große Scharen von Kranken versammeln sich vor dem Hause Hülsmann in Herford, Wilhelmsplatz 7, in dem Gröning sich aufhält.
4. April 1949:
Beginn der öffentlichen Heiltätigkeit Grönings in Herford. Gewaltiges Echo. Gröning wird zum Wundertäter von Herford. Teilweise wird er zu einer Art Messias erhoben, umso mehr, da er seine Wirksamkeit selbst auf göttliche Kräfte zurückführt.
27. April 1949:
Infolge des Massenandranges von Kranken schalten sich die Behörden, besonders die Gesundheitsbehörde, ein. Gröning und Hülsmann werden zu einer Besprechung beim Leiter des Gesundheitsamtes in Herford, Medizinalrat Dr. Siebert, gebeten. Siebert erklärt, er habe bisher Grönings Tätigkeit stillschweigend geduldet, aber jetzt müsse er wegen der großen Zahl der Kranken, wegen seiner Verantwortung für das öffentliche Gesundheitswesen eingreifen. Er versucht auf ungeschickte, etwas aufreizende Art und Weise, Grönings Personalien festzustellen. Gröning spricht ihm das Recht dazu ab und fordert ihn auf, sich statt dessen persönlich an seiner Wirkungsstätte von seinen Methoden und seinen Erfolgen zu überzeugen. Siebert lehnt dies ab mit der Begründung, er könne sich nicht bloßstellen.
Während der folgenden Tage:
Dreimalige Besprechung zwischen Hülsmann, dem Medizinalrat Dr. Siebert und dem Herforder Kriminalinspektor Auer, Hülsmann drängt – als begeisterter Anhänger Grönings, ebenfalls nicht sehr geschickt – darauf, die Herren möchten sich von Grönings Erfolgen überzeugen. Ablehnende Haltung durch Siebert. Auer verhält sich objektiv.
30. April 1949:
Angesichts des zunehmenden Andranges heilungssuchender Menschen und der wachsenden Schwierigkeiten mit den Behörden veranstaltet Gröning im Hause Hülsmann eine Art Pressekonferenz. Die Presse hat sich inzwischen des Falles Gröning bemächtigt, ihn sensationell aufgemacht und zahlreiche Falschmeldungen und Entstellungen des Falles veröffentlicht. Zu dieser Konferenz erscheint der Oberstadtdirektor von Herford, Meister, zusammen mit dem Superintendenten Kunst. Gröning berichtigt Falschmeldungen. Es kommt jedoch zwischen dem etwas unsicheren und gehemmten Gröning, der weder in Verhandlungen mit Ärzten noch im Umgang mit Presseleuten Erfahrungen besitzt, und den übrigen Anwesenden zu keiner rechten Verbindung. Angst der Behörden vor der Störung der öffentlichen Ordnung durch den Massenandrang der Kranken, Misstrauen oder offene Ablehnung der Ärzte und Unsachlichkeit der Berichterstattung stehen im Vordergrund.
3. Mai 1949:
Oberstadtdirektor Meister stattet Gröning im Hause Hülsmann einen Besuch ab. Er wählt selbst eine Frau mit Lähmungserscheinungen aus der Menge der Wartenden aus und führt sie Gröning vor. Gröning erzielt bei der Frau einen offenbaren Erfolg. Meister verabschiedet sich, stark beeindruckt.
3. Mai nachmittags:
Trotzdem übersendet der Oberstadtdirektor am Nachmittag Gröning ein Verbot jeder weiteren Heiltätigkeit. Es enthält eine dreiwöchige Beschwerdefrist. Das Verhältnis zwischen den Behörden, Gröning und den wartenden Massen, in denen sich während der vorangegangenen Wochen zahlreiche bemerkenswerte Heilungen vollzogen, wird immer verwickelter.
13. Mai 1949:
Erst zehn Tage nach dem Verbot, das sich äußerlich auf das Heilpraktikergesetz des Dritten Reiches stützt, erscheint eine Ärztekommission im Hause Hülsmann. Sie besteht aus dem Leiter der Städt. Krankenhäuser in Bielefeld, Professor Dr. Wolf, dem Leiter der Heilanstalten Bethel, Professor Dr. Schorsch; und dem Medizinalrat Dr. Rainer aus Bielefeld. Anwesend sind ferner Oberstadtdirektor Meister und Superintendent Kunst. Kunst und Wolf bemühen sich um Objektivität. Völlig ablehnend ist Dr. Rainer. Er erklärt: „Meine Herren! Alles, was Ihnen hier gezeigt wird, ist der medizinischen Wissenschaft nichts Neues. Wir können derartige Fälle mit gleichem Erfolg behandeln. Wenn ich hierher komme, dann will ich Wunder sehen.“ Das Bündnis der medizinischen Gegner Grönings mit der Ratlosigkeit der Behörden gegenüber dem massenbewegenden Phänomen Gröning festigt sich. Gröning wird jedoch angeboten, innerhalb einer Frist bis zum 28. Juni in allen Universitätskliniken der britischen Zone Deutschland sowie dem Städt. Krankenhaus in Bielefeld oder der Klinik in Bethel nach Vereinbarung mit den Chefärzten seine Heilkunst an klinisch überprüfbaren Fällen zu beweisen.
In den nächsten Tagen:
Trotz mündlicher und schriftlicher Hinweise Grönings und seiner Umgebung auf das Heilverbot und die Zwecklosigkeit des Wartens, harren die Heilungssuchenden vor dem Hause Hülsmann aus. Es ereignen sich auch schwer zu kontrollierende Heilungen, die nur durch eine Fernwirkung Grönings auf die Wartenden erklärbar sind.
20. Mai 1949:
Gröning erklärt sich bereit, seine Heilkunst in den Städt. Krankenhäusern in Bielefeld unter Beweis zu stellen, kehrt jedoch auf der Fahrt zu Prof. Wolf von instinktivem Misstrauen gegenüber irgendwelchen Hinterhalten der Mediziner um. Eine Rolle spielt dabei ein Herr Klemme, den Gröning geheilt hat. Klemme schlägt Gröning vor, den Kampf mit den Herforder Behörden aufzugeben und stattdessen mit dem Regierungspräsidenten Drake in Detmold, den er gut kenne, zu verhandeln.
23. Mai 1949:
Die Verbindung mit Drake kommt unter unglücklichen Umständen zustande. Auf Drängen eines Herrn Egon Arthur Schmid, der in dem Kreis um Gröning aufgetaucht ist und sich Lektor nennt, stellt Gröning am Abend vor dem Besuch bei Drake eine sogenannte Ferndiagnose des Drake'schen Gesundheitszustandes. Die Ferndiagnosen Grönings sind eine ganz besondere Sache, die sich nicht ohne Weiteres nach medizinischen Begriffen auslegen lassen. (Im Zuge des Revue-Berichtes wird von ihnen noch eingehend die Rede sein.) Überzeugt von der Kunst Grönings legt Schmidt die Ferndiagnose Drake vor. Dieser entdeckt darin einige Fehler. Der Detmolder Amtsarzt Dr. Dyes, ein klarer Gegner Grönings, der an der Besprechung teilnimmt, gewinnt Oberhand. Er erklärt Gröning wörtlich, er könne machen und beweisen, was er wolle, das Heilverbot werde nicht aufgehoben werden (diese Äußerung Dr. Dyes‘ wird durch ihn selbst dem Revue-Mitarbeiter Prof. Dr. Fischer bestätigt). Dyes‘ Worte haben einen unheilvollen Einfluss auf die weitere Entwicklung. Grönings instinktives Misstrauen gegen die Ärzteschaft festigt sich endgültig und macht auch von seiner Seite ein vernünftiges Zusammenfinden unmöglich. Dr. Dyes hat Gröning nicht auf den Ausnahmeparagraphen des Heilpraktikergesetzes hingewiesen, wonach unbeschadet der Gesetzesparagraphen in Ausnahmefällen Sondergenehmigungen zur Ausübung einer Heilpraxis erteilt werden können.
24. Mai 1949:
Besprechung zwischen Gröning und dem Stadtdirektor Wöhrmann, Vertreter des in Urlaub befindlichen Oberstadtdirektors Meister. Dabei erklärt Wöhrmann nach der Aussage von acht Zeugen sinngemäß folgendes: Wenn vor dem Hause Wilhelmsplatz 7 tausend Menschen auf Heilung warteten, so interessiere ihn diese Menge nicht. Die Krankenheilung sei sekundärer Art. Ihn interessiere nur das Seelenheil und die Sündenvergebung. Alle körperlichen Leiden seien klein im Verhältnis zum Seelenheil. Da Gröning auf die Frage, ob er auch Sündenvergebung vornehmen könne, keine Antwort gebe, sei er von der Unterhaltung mit Gröning völlig unbefriedigt.
7. Juni 1949:
Erneuter Besuch einer Ärztekommission bei Gröning, der diesmal Wöhrmann und Medizinalrat Dr. Siebert angehören. Fünfstündige Auseinandersetzung. Aufrechterhaltung des Verbotes jeder Heiltätigkeit. Verlängerung der Beschwerdefrist bis zum 28. Juli. Gröning wird noch einmal das bekannte Angebot gemacht, seine Heilkunst in Kliniken und Krankenhäusern zu beweisen. Dazu kommt es aber infolge des tief verwurzelten Misstrauens Grönings nicht mehr. (Prof. Dr. Fischer stellt als Revue-Beauftragter später fest, dass dieses Misstrauen nicht unberechtigt gewesen ist.)
18./19. Juni 1949:
Um die Tausende von Kranken, die auf dem Wilhelmsplatz auf Gröning warten, zu beruhigen, sieht sich Wöhrmann gezwungen, das Heilverbot vorübergehend zu lockern.
20. Juni 1949:
Demonstration der auf Heilung Wartenden vor dem Rathaus und der Wohnung Wöhrmanns. Polizei ist machtlos.
21. Juni 1949:
Nochmalige Lockerung des Verbotes.
24. Juni 1949:
Oberstadtdirektor Meister kommt zurück und bestätigt das Verbot. Erneute Demonstrationen. Die Verwirrung der Verhältnisse wird immer heilloser.
25. Juni 1949:
Auf Einladung des Hamburger Großkaufmanns Westphal, dessen Asthmaleiden Gröning gebessert hat, begibt sich Gröning nach Hamburg. Er hofft, dort seine Heiltätigkeit fortsetzen zu können. Dies erweist sich jedoch auch in Hamburg als unmöglich.
29. Juni 1949:
Gröning verlässt Hamburg mit unbekanntem Ziel. Er befindet sich in der Begleitung von Hülsmann und dessen Frau. Öffentlichkeit und Polizei verlieren seine Spur.
Bildlegende:
Von Gröning behandelte Kranke, die Professor Dr. Fischer aufsuchte, bevor er mit Gröning selbst zusammentraf:
- Der nierenkranke Herr Klüglich in Bielefeld, der in ständiger Operationsfurcht lebte. Unser Bericht schildert, in welcher Verfassung der von der Revue beauftragte Prof. Fischer ihn Wochen nach Grönings Behandlung antraf.
- Das Töchterchen der Hamburger Familie Mendt bewies Prof. Fischer, dass der Gröning-Effekt für die Medizin nutzbar gemacht werden muss. Gröning hatte auf spinale Kinderlähmung erfolgreich psychotherapeutisch eingewirkt.
- Frau Wehmayer. Als Prof. Fischer sie aufsuchte und von ihren Krankenhausaufenthalten hörte, war er über Grönings Ferneinwirkung und dem Erlebnis, das ihr Mann erzählte (siehe Bericht), sehr beeindruckt.
- Fräulein Schwerdt schilderte Prof. Fischer die im Bericht beschriebene Begegnung mit Gröning, wie er sie mit Hilfe der Silberpapierkugel zu dem Mann zurückführte, den sie liebte und wie er beide heilte.
- Frau W., die in Bielefeld die Fahrradhandlung ihres 1946 verstorbenen Mannes führt. Prof. Fischer unterhielt sich mit der Ärztin, die vor Gröning die langwierige und aussichtslos scheinende Behandlung vorgenommen hatte.
- Der nüchterne Geschäftsmann Kargesmeier in Bad Oeynhausen, dem keine Operation die qualvollen, durch Trigeminusneuralgie verursachten Schmerzen nahm. Nach Grönings Behandlung traf ihn Professor Fischer gesund an.
- Am Bett von Frau E. sitzt Dr. Morters, der die Patientin vor Grönings Einwirken behandelte. Auch dieser Fall veranlasste Revue, Ärzte einer Universitätsklinik von der Notwendigkeit einer klinischen Erprobung zu überzeugen, über die Revue in der nächsten Nummer berichtet.
Die Nacht der großen Heilungen
Die Nacht der großen Heilungen
Zeitungsblitz, Sept. 1949: Sonderausgabe über Grönings Erfolge
Mit folgenden Zeilen bringen wir Ihnen einen objektiven Tatsachenbericht unseres Sonderberichterstatters, der als Vertreter der Presse während der von vielen hundert Menschen miterlebten Heilversuche im Traberhof am 27. und 28. August sich 15 Stunden an die Fersen des großen Heilspenders Bruno Gröning heften konnte.
Die ersten Heilungen des Tages
Unser Korrespondent berichtet: Schon der Vormittag brachte für die vielen Heilungssuchenden, die zu Mittag in Sprechchören nach „Ihrem Gröning“ riefen, das große Glück, dass sich dieser in kurzer Ansprache an die vielen Wartenden wandte. Aber nicht davon will ich berichten, sondern von den selbsterlebten, einmaligen und unvergesslichen Stunden des Spätnachmittags und Abends:
Irgendwie ist die Luft besonders mit Spannung geladen, aus irgendwelchen Gründen sind heute, Samstag, besonders viele Leidende und Neugierige vor dem Traberhof und im Garten zusammengekommen, und diese Spannung steigt von Stunde zu Stunde mehr, als bekannt wurde, dass Herr Gröning heute Abend nochmals zu den Wartenden sprechen wird. Schon werden Filmapparate auf Balkon, Terrasse und Parkplatz aufgebaut, und immer mehr Menschen strömen herbei.
Ich erkundige mich inzwischen nach den neuesten Heilungserfolgen, deren nüchterne Reportage ohne Sensationshascherei ich dem Leser und dem Kreis um Gröning schuldig zu sein glaube.
Da wird mir von Frau Würstl aus Rosenheim, Münchnerstr. 42, glaubwürdig berichtet, dass sie sich bis heute Mittag auf Grund ihrer Lähmung nicht beugen und keinen Fuß vom Boden heben konnte. Freudestrahlend ging sie erstmals ohne fremde Hilfe nach der Ansprache Grönings ihrem Gatten entgegen und kann sich auch wieder bücken wie jeder gesunde Mensch.
Da stand, ähnlich wie Herr Haas aus München eine Frau aus Endorf im Fahrstuhl auf, die wir alle nur liegend kannten, und machte ihre ersten Gehversuche.
Ich setze mich an den Tisch eines Bekannten, dessen Gattin, die Filmschauspielerin Karin Lemberg, aus München-Laim, eine markante, brünette Erscheinung, allen „Dauergästen“ bekannt ist. Sie erzählt mir von der Heilung der monatealten Nervenlähmung ihres linken Armes mittels telefonischer Fernheilung vormittags zehn Uhr durch Gröning. Mit dem Moment der Ankunft am Traberhof wurde der „Strahlenkreis“ Grönings augenblicklich und so urplötzlich wirksam, dass Frau L. Blutwallungen heiß und kalt überrieselten und zu dem Ausruf veranlasst wurde: „Um Gottes willen, was ist denn mit meinem Arm? Ich spüre ihn nicht mehr!“ – und mit demselben „vermissten“ und gelähmten Arm, den sie früher nicht einmal zur Tischhöhe bewegen konnte, fährt sie sich unwillkürlich ins Gesicht und wenige Augenblicke später schon völlig frei über ihren sehr großen Sommerhut. Da bricht sie vor innerer Erregung in Tränen der Freude und des Dankes aus, Tränen, die alle Worte ersetzen mussten. Erst Stunden später ist es ihr möglich, Herrn Gröning die Hand aus übervollem und dankbarem Herzen zu schütteln, doch der große Helfer wehrt bescheiden ab: „Nicht mir gebührt der Dank, sondern dem Schöpfer dort oben, der mir die Kraft gab, heute früh bei dem Telefongespräch mit Ihrem Gatten diese Heilung einzuleiten, die Gott im Augenblick Ihres Eintreffens ohne mein Zutun vollendete. Ihr Glaube hat Ihnen geholfen, gnädige Frau!“
Eine zweite Dame, Frau Wagner aus München-Laim, aus dem gleichen Kreis Lembeck, seit vier Jahren durch Gehirnembolie mit inzwischen zwar gebesserter, linksseitiger Nervenlähmung befallen, wird im Garten „fernangepeilt“, indem sich Gröning von den oberen Räumen aus mit ihr befasst. Wir verfolgen gespannt die Einwirkungen, doch vermochte die Dame sich im herrschenden Trubel nicht die notwendige Konzentration aufzuerlegen. Aus demselben Grunde brachte auch ein späterer Versuch zur nächtlichen Stunde im persönlichen Gegenüber mit dem Meister kein befriedigendes Ergebnis, da die innere Bereitschaft, die Konzentration der Sinne und das nochmalige Vorstellen wenige Stunden nach der Fernbehandlung schwer hinderlich war.
Hier, wie in weiteren zwei Fällen wurde der eklatante Beweis erbracht, dass ein nochmaliges Vordringen zu Herrn Grönings Privaträumen, in der Annahme, dass die telepathische Behandlung ihre Wirkung verfehlt hätte, dem großen Heilspender gegenüber nur ein Zeichen von Misstrauen ist.
Und nun ist es plötzlich so weit. Dichtgedrängt stehen viele hundert Menschen. Es ist 7.30 abends geworden. Langsam fallen die abendlichen Schatten ein. Die Pferde sind längst von den Koppeln verschwunden, und die Sonne vergoldet unsere herrlichen blauen Berge. Die Spannung wird immer größer, ja unerträglich. Da tritt Gröning umjubelt kurz auf den Balkon und bittet um wenige Minuten Geduld, um sich in der Stille auf die vielen Menschen einzustellen, die er ersucht, sich ebenfalls zu konzentrieren. Herr S., aus seinem Mitarbeiterkreis, dirigiert die Kranken nach vorne ins Blickfeld, gibt leise Anweisungen, wie sie sich zu verhalten haben: Die Hände flach auf die Knie, keine Tuchfühlung, die Gedanken von der Krankheit abgewandt, so lauten seine Ratschläge. Gerade diese spannungsgeladene Erwartungsstille, diese innere, seelische Vorbereitung auf den Moment der Heilkraftwirkung Grönings, bringt den größtmöglichsten Heilerfolg. Kaum ein Flüstern geht durch die Menschenmenge. Es ist unmöglich, die Situation und die Stimmung zu schildern, diese glaubensvolle, erschütternde Atmosphäre zu beschreiben, in der diese armen gequälten Menschen, mit allen ihren sichtbaren und unsichtbaren Leiden, mit mehr oder minder festem Glauben auf den Augenblick ihrer Heilung warten.
Inzwischen sind 15 Minuten mit der Vorbereitung für die Aufnahmen zu einem Dokumentarfilm vergangen, Minuten, die man nur einmal zu erleben glaubt, so voll energiegeladener Erwartung, dass man das eigene Herz klopfen fühlt und das seines Nachbarn zugleich. Ein Mitarbeiter Grönings befragt zwischendurch die Einzelnen, woher sie kämen. Ortsnamen aus allen Teilen und Zonen Deutschlands sind vertreten, aus dem Allgäu und dem Schwabenländle, aus Köln und Frankfurt, von Ober- und Niederbayern, vom Bodensee und von der Waterkant, ja sogar aus Berlin und natürlich viele Einheimische. Eine besondere, persönliche Freude bereitete es später Herrn Gröning, dass ihn ein alter Kriegskamerad, der sich unter den Wartenden befand, aufsuchte und mit ihm in Karelien und Finnland das harte Los der russischen Gefangenschaft teilen musste. Die Menge wird nochmals gebeten, keinerlei Fragen an Herrn Gröning zu richten und sich ganz auf das einzustellen, was Gröning sprechen wird.
Gröning spricht zu den Wartenden
Nun ist die Dämmerung vollends hereingebrochen. Von allen Seiten flammen die Jupiterlampen auf, die Filmapparate beginnen leise anzulaufen. Jeder andere Laut verstummt völlig, und alle Blicke richten sich zum Balkon, auf dem nun um 20.15 Herr Gröning in den Kreis seiner Gastgeber, Mitarbeiter und Geheilten tritt. Minuten tiefster Stille folgen, in denen der große Helfer der Menschheit die Hände faltet und zum Himmel blickt. Dann stellt er den vollständigen Kontakt mit seinen gläubigen Heilungssuchenden her, indem er jedem Einzelnen in das erregte Gesicht sieht.
Nun beginnt Gröning mit jener warmen, sympathischen Stimme, die so viele zu fesseln vermag, einfache und von tiefster Gläubigkeit getragene Worte zu sprechen:
„Meine lieben Heilungssuchenden! Wie jeden Tag so auch heute, finden sich Menschen hier ein, arme und gequälte Menschen, die Heilung suchen und auch finden werden. Aber auch solche, die die reine Neugierde hierher trieb, Einzelne, die es selbst wissen, dass sie Skeptiker sind. Ich fühle das ganz genau und ich bitte Sie Ihre Gedanken mehr abzudecken und sich erst von den Tatsachen zu überzeugen. Es handelt sich hier nicht um Schaukünste und billige Vorführungen von Wundern, dazu ist die Stunde zu ernst und das Leid der Menschen um mich herum zu groß.
Ich habe niemanden hierher gerufen, im Gegenteil, ich habe Sie gebeten abzuwarten bis zu dem Tage, wo Ihnen die Hilfe in geordneten Verhältnissen zuteil werden kann. Wer nicht an mich glaubt, der braucht nicht mehr zu kommen!
Ich weiß, dass viele unter Ihnen schon in diesem Augenblick einer Heilung entgegengehen! Ich beabsichtige, hier in Oberbayern zu bleiben und ich bitte Sie, haben Sie Geduld, bis mir die Erlaubnis zur öffentlichen Heilung erteilt wird und die Heilstätten errichtet sind. Ein Recht auf Heilung aber hat nur der, der den göttlichen Glauben in sich trägt. Leider gibt es Menschen, die seit Jahren diesen verloren oder in den Schmutz gezogen haben.
Ich gebe Ihnen zu wissen: Der alleinige Arzt, der Arzt aller Menschen ist und bleibt unser Herrgott! Nur Er allein kann helfen. Er hilft aber nur Gläubigen, die gewillt sind, ihr altes Leiden von sich zu werfen. Sie brauchen nicht an den kleinen Gröning zu glauben, aber Zutrauen müssen Sie zu mir haben. Nicht ich will ihren Dank, sondern Gott allein gebührt er – ich tue nur meine Pflicht!
Da Sie ja nicht aufgeklärt sind, gebe ich Ihnen zu wissen, dass Sie die Angst und das Geld zu Hause lassen können, aber Ihre Krankheit und viel Zeit immer mitbringen müssen, um die ich Sie dann beraube. Sie alle sollen Mensch zu Mensch sein; nicht gehässig, nicht falsch, niemandem etwas Schlechtes tun und nie neidisch sein. Das beste und größte Geschenk in diesem Erdenleben ist nicht Reichtum, nicht das Geld, sondern die Gesundheit, die mehr wert ist als alles Gut der Erde. Sie haben von meinem Mitarbeiter gehört, wie Sie sich verhalten sollen, damit Sie die größtmöglichste Wirkung an sich verspüren. Ich will hier keine öffentliche Heilung vollziehen! Ich muss erst zuverlässig wissen, dass ich öffentlich helfen darf. Doch ist es bisher immer so gewesen, dass Menschen, die sich in meiner Nähe befanden, schon gesundet sind. Sie brauchen mir Ihre Leiden nicht aufzuzählen, ich sehe durch Sie hindurch und weiß alles von Ihnen!“
Herr Gröning zeigte nun an einigen einfachen Proben seine Beeinflussungskraft, die durch Zuruf ihre Bestätigung fand und fuhr dann fort: „Es hat nun jeder das empfangen, was er haben wollte; doch nur d e r, der sich mit seinem Herrgott verbunden fühlte. Ich will von hier aus, als der Urzelle, wenn alles glückt, mehrere Heilstätten in engster Zusammenarbeit mit den Ärzten errichten, um Ihnen allen zu helfen. All denen, die für ihre erkrankten Angehörigen zu mir kamen, will ich sagen: ‚Ich bin schon bei ihnen!‘ Wenn Sie nach Hause kommen, werden Sie feststellen, dass der Kranke nicht mehr genau derselbe ist, als den Sie ihn verlassen haben!“ Lang anhaltender Beifall dankte dem selbstlosen Mann für seine Worte.
Zwei Regierungsvertreter für Gröning
Da trat völlig unerwartet und spontan der Münchener Polizeipräsident Pitzer aus dem Hintergrund: „Meine lieben Rosenheimer! Ich spreche hier zu Ihnen aus meinem heutigen persönlichen Erlebnis. Ich bin hierher in erster Linie als kranker Mensch gekommen, aber auch als bayerischer Beamter und Beobachter. Ich habe nie in meinem Leben eine derart hervorragende Diagnose, selbst nicht von berühmtesten Professoren, erhalten wie hier von Herrn Gröning in wenigen Augenblicken, ohne dass er meinen Körper auch nur berührte. Ich persönlich glaube fest an meine Heilung und ich trage bis zu den höchsten Regierungsstellen hinauf die Verantwortung für das, was hier geschieht, ob es nun gewissen Herren – Sie wissen schon, welche ich meine – in ihren Kram passt oder nicht. Das Entscheidende ist, dass den Kranken geholfen wird. Ich stehe seit vier Jahren Tag und Nacht im Einsatz und habe mir ein schweres Leiden dabei geholt, für dessen Heilung ich schon ein halbes Vermögen vergeblich geopfert habe. Ich spreche für mich und für Sie alle – und es soll überall gehört werden, weil ich für alle anständigen Menschen gesund bleiben muss. Ich danke Ihnen, Herr Gröning, für Ihre Hilfe. Möge der Herrgott Ihnen die Kraft verleihen, dass Sie all den vielen Menschen helfen können, die mit starkem Glauben und aufgeschlossenem Herzen zu Ihnen kommen.
Haben Sie weiterhin restloses Zutrauen an die Heilkunst Grönings und helfen Sie alle mit, die letzten Schwierigkeiten zu überwinden. Mein Freund im Landtag wird dafür Sorge tragen, dass eines Tages, vielleicht schon bald, Herr Gröning die Heillizenz erhält.“
Hierauf ergriff Landtagsabgeordneter der CSU, Hagn das Wort: „Ich wollte eigentlich nicht sprechen, weil ich der Angelegenheit Gröning sehr skeptisch gegenüberstand und wollte mich persönlich überzeugen von dem, was hier vorgeht. Ich habe heute so viel Erschütterndes erlebt, dass mir die Worte fehlen, dies zu schildern. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Ich bitte Sie alle, glauben Sie an die Berufung des Herrn Gröning!“ Wiederum brauste stürmischer Beifall der erregten Menge auf.
Die nächtlichen Heilungen im Traberhof
Nun befasste sich Gröning vom Balkon herab mit einigen schweren und ebenso bedauernswerten Fällen von Lähmungen.
Die seit Tagen im Traberhof wartende Frau Monika Baumgärtner aus Bad Aibling, die vor drei Jahren durch Absturz vom Watzmann eine Wirbelsäulenverletzung und vollständige Läson der gesamten unteren Körperpartie nach sich zog, ringt sich unter schwersten Anstrengungen und ungeheurem Schweißausbruch zum ersten Mal seit Jahren wieder zu einem, wenn auch kurzen, Stehen durch. – Jetzt fordert Gröning andere Kranke mit lahmen und steifen Gliedern auf, diese zu bewegen oder abzubiegen. Ich kann mich nur mit Mühe zu dem bedauernswerten Versehrten Herrn Georg Aigner, Rosenheim-Thallerbräu, durchdrängen, der mir eben freudestrahlend demonstriert, wie er unter lautem Knacken verbissen die eingetrockneten Gelenke beugt und stolz die linke Ferse aufs rechte Knie stellt und umgekehrt. Das war der zweite Fall für die Skeptiker, von dem sich alle Anwesenden überzeugen konnten. Bei einem Bäckermeister aus Bad Aibling schließlich verlor sich in wenigen Minuten ein jahrealter Nervenschock bis auf geringe Restspuren, die ihm Gröning in einigen Wochen zu nehmen verspricht.
Nun spricht Gröning noch einmal zum staunenden Volke: „Wenn bei Ihren Bekannten und Verwandten zu Hause eine Besserung eingetreten ist, geben Sie mir hierher baldigst Nachricht mit dem heutigen Datum als Stichtag, damit ich weiß, wie viele Heilungen heute vollzogen wurden. Ich wünsche Ihnen allen eine recht gute Nacht und volle Genesung im Namen Gottes.“
Damit trat der große Heilspender mit seinen Mitarbeitern in die Wohnräume zurück, um hier ohne jede Pause seit dem frühen Morgen an den ihm von Ärzten und Presse vorgeführten Fällen seine Heilkunst weiter mit Erfolg zu beweisen.
Während ich mich bis jetzt, um den engsten Kontakt mit den Kranken zu haben, ausschließlich bei diesen aufhielt, konnte ich nun auf Einladung der Familie Hawart unmittelbar der Behandlung schwerster Fälle beiwohnen. Durch die lange Reihe der im Vorraum Wartenden betrat ich die Privaträume. Schon beim Eintritt konnte ich mich eines gewissen Fluidums trotz aller Objektivität nicht erwehren. Da trat schon Herr Gröning auf mich zu und drückte mir fest die Hand. Ich hatte einen Moment lang das Gefühl, als ob sein starker und dennoch überaus freundlicher Blick durch mich hindurchginge. Seine ersten Worte an mich zeugten von der großen Enttäuschung, die er schon mit der Presse erlebt hatte.
Während einiger interessanter Behandlungen von Kinderlähmungen mit sichtlichem Erfolg wurde im exotisch ausgestatteten Wintergarten um die Mitternachtsstunde ein Zirkel vorbereitet. Unter den Strahlen von vier Jupiterlampen versammelten sich 24 Personen, darunter der behandelnde Arzt zweier Patienten, Herr Dr. Meyer, Versehrtenkrankenhaus Bad Tölz, ferner eine Ärztin, ein Medizinstudent und das Begleitpersonal der nicht Gehfähigen. Unaufhörlich trommelt der Regen aufs Glasdach, und die drei Filmoperateure stellen ihre Kameras auf die Patienten ein. Jeder einzelne Fall wird vor, während und nach der Behandlung für einen Dokumentarfilm zur Aufklärung der breiten Masse aufgenommen. Gröning bereitet sich wie immer im Nebenraum auf die Behandlung vor. Sein Assistent, Herr Schmidt, erscheint und bittet auch hier die Anwesenden, sich äußerlich und innerlich auf die bevorstehenden Heilungsversuche zu konzentrieren. Dabei macht er – offenbar als Medium Grönings – die verblüffende Mitteilung, dass sich unter den Anwesenden ein Herr befände, der sich in seiner unbegründeten Skepsis innerlich umstellen oder aber den Raum verlassen möchte, um die psychischen Verbindungen mit den Heilungssuchenden nicht zu unterbrechen. – Doch es verlässt niemand den Raum.
Da erscheint im Türrahmen Gröning und bittet die Anwesenden, sich nur darauf zu konzentrieren, was in jedem einzelnen Körper vorgeht. Gröning tritt in den Kreis und beschäftigt sich offenbar intensiv mit Frau Baumgärtner aus Bad Aibling, die ihm hier oben noch einmal persönlich vorgestellt wird. Erwartungsvolle Stille tritt ein. Abwechselnd beginnen die Filmapparate zu summen. Plötzlich dreht sich Gröning um und fragt die besprochene Patientin: „Und was empfinden Sie jetzt?“ Meist lautet die Antwort: ein Kribbeln in den Füßen, ein Ziehen in den Waden, ein stechender Schmerz in der Nieren- oder Blasengegend, ein heftiges Rumoren in den Gedärmen, ein Druck in der Magengrube, oder es offenbart sich für alle sichtbar ein heftiges Durchschütteln des ganzen Körpers. So oder ähnlich zeigen sich die Behandlungssymptome fast bei jedem Patienten. Nun fixiert der Meister auf den Zentimeter genau die kranke Stelle, die die Lähmung hervorgerufen hat. Er lässt Frau B. dreimal tief Luft holen. Da schreit die Patientin plötzlich auf: „Durch!“ Von der Patientin abgewandt und für diese nicht sichtbar, demonstriert Herr Gröning den Ärzten mit einer verblüffenden Fingersprache, wie man ohne operativen Eingriff einen bestimmten Nerv durchtrennen und wieder zusammennähen kann, wobei die Patientin all die Schmerzen dieser Operation zu verspüren glaubt. In der weiteren Behandlung fühlt sich die Patientin „leicht“, sie spürt kaum mehr ihren Körper, zeigt zunehmend euphorische Empfindungen, schwankend hebt sie den linken Arm, stützt sich auf Stuhllehnen und macht ihren zweiten Stehversuch: „Sie wird in Kürze wieder laufen!“ – lautete die Diagnose Grönings.
Behandlung schwerer Fälle
Ein noch vor Jahren fast erblindetes 8-jähriges Mädchen, Evelyn Gschwind aus München, mit schweren Hornhautschäden und bisher fünf Operationen, sieht schon nach mehrmaliger Behandlung am selben Tage ohne Brille mehr als es je gesehen hat, z. B. die in 500 m Entfernung vorbeifahrende Eisenbahn. Den angegebenen Schleier vor dem linken Auge lässt Gröning der kleinen Evelyn durch Auflegen und rasches Abziehen ihrer linken Hand vor der Augenhöhle auf seine Anordnung wegnehmen, worauf sie befreit jede Einzelheit im Raum angeben kann.
Jetzt lässt Gröning drei Herren aus der Begleitung von Patientinnen ersuchen, auf den Balkon zu treten, da sie ablenkend auf ihre Schutzbefohlenen wirken. Nun verteilt er Papierkügelchen aus leeren Zigarettenpackungen, mit eigener Hand geknetet, die augenscheinlich ein Depot magnetischer Kraft in sich tragen und so begehrt sind, dass sie schon am schwarzen Markt in München – natürlich als üble Fälschung – verkauft werden. Diese „Kraftträger“ sollen über die räumliche Entfernung hinweg den Kontakt vom Patienten zu Gröning herbeiführen und die unbedingt notwendige Konzentration für Fernbehandlungen erleichtern.
Inzwischen beginnt im Osten schon der Tag zu grauen, und immer noch zeigt der Meister keinerlei Ermüdungserscheinungen. Die Kraft seiner Ausdauer überträgt er offensichtlich auf seine Besucher, denn auch von diesen will niemand die „Wunderstätte“ verlassen. Der Begriff Schlaf ist für Gröning ein Fremdwort. Eine rasche Handbewegung von der Stirne über seinen markanten Schädel zum Hinterkopf nimmt ihm jede geringste Spur von Müdigkeit. Unaufhörlich jedoch glimmen in seiner Hand die Zigaretten, und seine Nahrung besteht nur aus kleinen Portionen.
Da wird der immer wieder Begehrte zu einem sehr schweren Fall in den Hinterhof geholt, wo bereits seit Tagen der 35-jährige Herr Fischhaber aus Bad Tölz auf ihn als letzte Hoffnung wartet. Durch Bob- und Motorradunfall zog sich Herr Fischhaber teilweise Lähmungen von Körperpartien zu, die sich seit Mai 1949 laufend verschlechterten. Drei ärztliche Gutachten namhaftester Münchener Professoren schwanken zwischen Benzingasvergiftung, Wirbelsäulenverletzung, Geschwülste der Hauptnervenstränge und der neuesten Feststellung einer Zwischenhirnverletzung des Arztes, der ihn heute zu Gröning brachte. Schon vor zwei Monaten suchte Herr Fischhaber Gröning in Herford auf, wo ihm dieser Heilung versprach. Während nach dem Herforder Besuch das durch die jahrelange medikamentöse Behandlung hervorgerufene Nierenleiden völlig verschwand, blieb bei den anderen Krankheitserscheinungen ein Teilerfolg aus. Die Vorbereitung zu dieser morgendlichen Konsultation schuf Gröning bereits in den Abendstunden durch Fernbehandlung über sein Medium, während dieser Fischhaber heftiges Kribbeln in der linken Hand und in der linken Wade sowie im Vorderfuß muskelkaterähnliche Wahrnehmungen machen konnte.
Den Grund für das bisherige Ausbleiben einer offensichtlichen Heilung oder Besserung gibt Herr Gröning in einer geradezu aufsehenerregenden „hellseherischen“ Erklärung an und sagt wörtlich: „Hüten Sie sich vor einem befreundeten Ehepaar, das Ihnen nicht wohl gesinnt ist. Die Frau trägt schwarze Haare, der Mann ist dunkelblond, Scheitel, ca. 1.70 m groß. Dieser Mann wird – wenn Sie es genau wissen wollen – zwei Tage nach Ihrer Rückkehr von hier, und zwar um 6.00 Uhr abends Ihr Haus betreten. Sie erkennen ihn daran, dass er sich – noch bevor er die Tür schließt – mit einem weissen Taschentuch die Nase säubert. Dieser Mann verhindert bis heute Ihre Heilung durch mich, da er sich bereits öffentlich abfällig darüber ausgesprochen hat. Diese Person steht zwischen Ihnen und mir und unterbindet den notwendigen Kontakt. Meiden Sie diesen Herrn, und Sie werden in Kürze gesund werden.“
Des Heilspenders letzte Worte, die er mir mit auf den Nachhauseweg gab und die richtunggebend für seine zukünftige Arbeit sind, waren: „Ich möchte meine Patienten in wenigen Minuten mit folgenden Worten heilen: GRÜSS GOTT! SIE WAREN KRANK! AUF WIEDERSEH’N!“
A. Stecher
Anmerkung der Redaktion!
Soweit der Bericht unseres Korrespondenten, den wir ohne Stellungnahme wiedergeben. Unsere Leser mögen sich nun aufgrund dieser Tatsachenschilderungen selbst ein Urteil bilden über Grönings „Heilkunst“ und ob seine sofortige Zulassung als „Arzt der Naturheilkunde“ im Interesse vieler Kranken und Körperbeschädigten durch das zuständige Staatsministerium notwendig ist.
Da Gröning beabsichtigt, vorläufig weiterhin im Traberhof bei Rosenheim zu bleiben, werden wir zu gegebener Zeit weitere „Sonderausgaben“ bringen.
Briefe oder sonstige Vermittlungen an Herrn Gröning weiterzuleiten, ist uns nicht möglich. Selbstverständlich kann jeder Interessent Briefe (ohne Photos) oder andere Mitteilung an seine Adresse: Herrn Bruno Gröning, Rosenheim-Land, Traberhof, richten. Andere, vielleicht auf dem schwarzen Markt kursierende Anschriften sind falsch. Von persönlichen Besuchen bittet Herr Gröning bis zu seiner offiziellen Zulassung Abstand zu nehmen.
Bruno Gröning - Sein Wort bannt die Krankheit
Das Neue Blatt, 9.5.1957
Bericht von Dr. Horst Mann
Das muss vorweg mit aller Deutlichkeit gesagt werden: Es geht uns nicht um die Person des Bruno Gröning. Das Neue Blatt will nicht einfallen in den Chor jener, die ihn überschwenglich als Heiler preisen oder aber als Scharlatan verschreien. Unsere Aufgabe war: Die Heilungen des Bruno Gröning zu untersuchen – kritisch und unbestechlich, nur von dem ehrlichen Bemühen geleitet, endlich die Wahrheit zu ergründen. Denn alle leidenden Menschen haben einen Anspruch auf diese Wahrheit.
Das Neue Blatt schlägt damit ein erregendes Kapitel unserer unmittelbaren Gegenwart auf. Denn das sind die Tatsachen:
- Seit mehr als zehn Jahren erzielt Bruno Gröning nachweisbar Heilungen. Ihre Zahl lässt sich nicht schätzen. Sie geht in die Tausende.
- Mehrfach stand dieser Mann wegen seiner Methode vor Gericht. Man musste ihn freisprechen. Mit Zuversicht sieht er auch jetzt einem neuen, sehr umstrittenen Prozess entgegen.
- Überall in Deutschland gibt es Gröning-Vereinigungen. Ihre Mitglieder blicken voller Ehrerbietung auf den Mann, der ihnen nicht nur Heilung, sondern auch seelischen Halt gab.
Das Neue Blatt sprach mit diesen Menschen. Kritisch untersuchten wir die Heilerfolge. Wir fragten Ärzte und Wissenschaftler, und wir sprachen mit Bruno Gröning selbst. Er stellte uns freimütig Material zur Verfügung, das bisher niemandem zugänglich war.
Das war am 27. November 1953 in dem kleinen Dorf Ostenfeld, 14 Kilometer östlich von Husum: Lastende Spannung lag über dem flachen Raum des Dorfkruges. Sie krallte sich wie eiserne Klammern um die Herzen der Menschen, die dichtgedrängt in Bänken und Stuhlreihen saßen. Hundert mochten es sein, vielleicht auch hundertfünfzig.
Sie waren aus Ostenfeld gekommen und aus den umliegenden Dörfern zwischen Rendsburg und Schleswig, Husum und Kappeln. Es hatte sich schnell herumgesprochen: Bruno Gröning ist da! Er soll wieder Kranke geheilt haben. Vielleicht könnte er auch mir helfen oder dem Vater mit seiner Gicht oder dem Kind, das so hinfällig war und für das der Arzt nur ein Achselzucken hatte. Das mögen die Gedanken der Menschen gewesen sein, die sich heute Abend hier eingefunden hatten.
Das trübe Licht hatte Mühe, den Raum zu durchdringen. Es fiel in Gesichter voller Erwartung und Gläubigkeit. Aber es brach sich auch in den Augen der Skeptiker und Neugierigen. Sie erwarteten nichts Besonderes. Sie wollten nur dabei sein, um später ein Wort mitreden zu können in diesen langen Winterabenden des Jahres 1954. Es geschah doch so wenig hier auf den Dörfern. Die Gespräche drehten sich immer um die gleichen Themen: das Wetter, die Ernte, das Vieh und – die Krankheit. Ja, und krank konnte schließlich jeder werden – vielleicht zeigte Gröning einen Ausweg ...
Das Gemurmel der Stimmen brandete gegen die Decke des überfüllten Raumes und schob die Rauchschleier auseinander. Die einen hielten die Hände verkrampft, als beteten sie. Die anderen rissen Witze, um sich von der inneren Spannung zu befreien. Andere kümmerten sich um ihre kranken Angehörigen.
Nur in der letzten Stuhlreihe war es sehr still. Da hatte man einen Schwerkranken hereingetragen. Die Schmerzen peinigten ihn so unerbittlich, dass er nicht einmal sitzen konnte. Man hatte ihm Decken auf den Boden gelegt und ihm ein Lager bereitet. Die Leute kannten ihn. Es war Bauer Thies Paasch aus Norby. Sie kannten auch sein grausames Schicksal, die Schmerzen, die ihn gefangen hielten und manchmal für Wochen ins Bett zwangen.
Plötzlich erstarb das Gemurmel. Bruno Gröning trat in den Saal. Er wirkte klein mit seinen fast 170 Zentimetern Körpergröße, fast zierlich, als er mit schnellen Schritten auf ein flaches Podium zuging. Seine Kleidung war so, wie man sie von vielen Fotos kannte. Auffallend waren nur der wuchtige Kopf mit dem gewellten Haarschopf und die großen leuchtenden Augen, die in dem mageren bleichen Gesicht geradezu brannten.
Und dann war alles ganz anders, als sie erwartet hatten, jene, die aus Neugier oder Sensationsgier hierher gekommen waren. „Meine lieben Freunde!“, richtete Gröning das Wort an die Versammelten. Und diese Stimme war sanft und melodisch, ohne Dramatik und Pathos. Und sie sprach auch nicht von den Heilungen, von den Wundern, die ihr Besitzer vollbracht hatte. Sie lobte ihn auch nicht oder pries ihn als Messias, der wiederauferstanden sei, um den Verzweifelten Rettung zu bringen. Gröning sprach vom Glauben und seiner Kraft. Er sagte es mit einfachen Worten, die jeder verstand und aufnahm und verarbeitete. Er sprach bildlich und brachte Vergleiche, aber er malte nicht in grellen Farben und Geschehnissen.
Eine knappe Stunde mochte Gröning gesprochen haben. Niemand schaute auf die Uhr oder fühlte sich nicht angesprochen. Dann wendete er sich den einzelnen Zuhörern zu. „Haben Sie etwas gespürt?“, fragte er. Leise, zögernd oder freudig und bejahend kamen die Antworten. Die einen hielten Stanniolkugeln in den verkrampften Händen, die man vorher verteilt hatte, und berichteten von einem eigenartigen Wärmegefühl. Die anderen erzählten von einem Zittern oder schmerzenden Stößen. Wieder andere schüttelten nur verneinend den Kopf.
Einige wollten ihre Krankheitsgeschichte erzählen. Aber nicht immer war der Mann mit dem dunklen Seidenhemd und dem großen Krawattenknoten ein aufmerksamer Zuhörer. Manchmal unterbrach er sie, fast schroff: „Ich behandle keine Krankheiten! Krankheit ist Unordnung. Kommen Sie mit sich selbst und Gott in Ordnung, und die Heilung wird nicht ausbleiben. Lassen Sie uns doch von etwas Gutem sprechen. Fühlen Sie sich wohl in unserem Kreis!“
Bruno Gröning ging von Tisch zu Tisch, von Stuhl zu Stuhl. Dann wendete er sich ab. Ein Ruf aus der letzten Reihe hemmte seinen Schritt. „Herr Gröning, Sie haben jemand vergessen!“ Es war der Bürgermeister und Amtmann der Gemeinde Owschlag, der jetzt aufgestanden war und auf Thies Paasch hinwies, der hinter ihm auf dem Boden lag.
Gröning trat auf den Kranken zu, beugte sich herunter und stellte die Frage, die er auch an die anderen Zuhörer gerichtet „Haben Sie etwas während der Sitzung gespürt?“ Der Mann, den die Schmerzen auf den Boden gezwungen hatten, nickte. „Ja“, sagte er dann. „Mir wurde plötzlich ganz heiß. Nur das linke Bein blieb zur Hälfte eisig kalt. Und dann kribbelte es in der rechten Hand.“ Gröning nickte. Nichts mehr. Keine Bewegung, kein Trost, kein Hinweis. Mit schnellen Schritten durchquerte er den Saal.
Da rief jemand mitten aus den Zuschauern heraus: „Wir danken Herrn Gröning durch Erheben von unseren Plätzen!“ Stuhlbeine scharrten, Tische wurden verrückt. Und dann geschah das Unglaubliche. Thies Paasch erhob sich. Er stand auf, wie alle die anderen Gesunden. Sein Gesicht war auf einmal wie erlöst. Mit beiden Händen wies er die Hilfestellung seiner Nachbarn zurück. Er wollte es alleine schaffen. Und er schaffte es, mühelos, ohne Anstrengung – ohne Schmerzen.
Aufgerichtet stand er da und schaute lachend, fast triumphierend in die betroffenen Gesichter der Menschen um ihn herum. Und dann ging er mit sicheren Schritten auf die Theke zu. „Einen Weinbrand, Herr Wirt“, forderte er. Er schrie es fast, mit einer Stimme, die von Entsetzen, Hoffnung, Jubel durchdrungen war: „Einen Weinbrand, Herr Wirt!“
Norby, den 18. April 1957
Vor mir liegt eine Mappe mit Dankesschreiben an Bruno Gröning. Sie enthält 58 Krankenberichte von Menschen, die alle in diesem Mann ihren Heiler und Retter von schweren Leiden sehen. Sie stammen aus einem kleinen Bezirk, aus Ostenfeld und den umliegenden Ortschaften. Die Berichte umfassen den Zeitraum vom Winter 1953 bis zum Frühjahr 1954. Sie sind von Bauern geschrieben, von Hausfrauen, Kraftfahrern, Maurermeistern und anderen Handwerkern. Auch von der wunderbaren Heilung von Kindern erzählen sie.
Mein Verstand will nicht glauben, was die Augen lesen. Es ist einfach unfassbar. Die Menschen zählen ihre Leiden auf, die von Herz- und Kreislaufschäden, von Rheuma, Krampfadern, offenen Wunden, Kopfschmerzen, Hautausschlägen, Thrombosen, Hüftgelenkentzündungen, Fettsucht, Lähmungen, Hautverhärtungen, Bandscheibenschäden, Gallenbeschwerden und Tuberkulose berichten. Eine grausame Skala von Krankheiten – die alle von Bruno Gröning geheilt sein sollen.
Ich stocke. Mein Auge fällt auf den Namen Thies Paasch, des Mannes, der vor nahezu drei Jahren nach einem Vortrag Bruno Grönings plötzlich aufstand und sich geheilt fühlte. Ich lese: „Seit 1944, also volle zehn Jahre, litt ich an furchtbaren Nerven- und Rheumaschmerzen, die ich damals während des Krieges in Ostpreußen erhielt. Mehrere Ärzte, Heilpraktiker und Kräuterteekuren wurden durchgeführt, aber alles war nur zur Linderung und nicht zur Heilung angewendet. Im vorigen Herbst wurden die Schmerzen derart, dass ich mich nicht mehr bewegen konnte. Der Arzt stellte Bandscheibenschaden und Ischiasnerventzündung fest. Als ich dann vier Wochen, ohne Besserung zu spüren, gelegen hatte, fasste ich den Entschluss, am 27. November nach Ostenfeld zu fahren, wo Herr Gröning damals selbst anwesend war. Da ich weder gehen noch sitzen konnte, habe ich zwei Stunden auf dem Fußboden gelegen. Als Herr Gröning dann den Raum betrat, spürte ich gleich Linderung. Und wie Herr Gröning seine Unterhaltung mit der etwa 200-köpfigen Menschenmenge beendet hatte, war auch ich alleine aufgestanden und konnte ohne Stock den Saal verlassen. Wie durch ein Wunder bin ich jetzt gesund und kann meiner Arbeit nachgehen. Meinen herzlichen Dank an Herrn Gröning, dass ich durch ihn meine völlige Gesundheit wiedererlangt habe. Thies Paasch, Norby“
Was mag aus diesem Mann geworden sein? Hat sich die spontane Heilung tatsächlich als eine endgültige erwiesen? Ist es wirklich eine Wunderheilung, oder hat nur die Kraft des Augenblicks, der jäh von Bruno Gröning entfachte Glaube, die Schmerzquelle versiegen lassen, um dann erneut und vielleicht noch stärker aufzubrechen?
Wenige Stunden später sitze ich ihm in der guten Stube seines Bauerngehöftes in Norby gegenüber. Ein frischer, fröhlicher Mann, der ebenso gut 40 wie 50 Jahre zählen könnte. Er kommt gerade mit Zug und Fahrrad aus Husum zurück, wo er eine Fahrschule absolvierte.
Freimütig erzählt er. Und schon seine erste Aussage erspart mir die Frage, ob die Heilung angehalten habe. „Ich bin Herrn Gröning aus tiefstem Herzen dankbar. Ihm verdanke ich, dass mir die Arbeit heute wieder Spaß macht und ich gesund bin.“
Thies Paasch hat allen Grund dazu. Denn als er mir noch einmal seine Leidenszeit heraufbeschwor, wurde mir die ganze Schwere seiner Krankheit bewusst. Er hatte damals nach dem ersten Zusammenbruch während des Krieges nichts unversucht gelassen. Aber der Rheumatismus war weiter gewachsen. Eine Rückgratverkrümmung stellte sich ein. Die Ärzte konnte nur mit Spritzen lindern.
„Ich sah damals keinen Ausweg mehr“, meinte Thies Paasch. „Ich hatte zu viel Rückschläge erlitten. Als dann damals der Name Gröning fiel, wusste und fühlte ich: Nur er kann mich retten! Daran habe ich geglaubt, als man mich in den Wagen zur Fahrt nach Ostenfeld trug und ich meine Schmerzen unterdrückte.“
„Waren Sie inzwischen wieder einmal beim Arzt?“, fragte ich den braungebrannten Landwirt, der inzwischen wieder tatkräftig seiner gewiss nicht leichten Arbeit nachgeht. Thies Paasch lacht. „Warum sollte ich?“, kommt seine Gegenfrage. „Ich fühle mich doch gesund, ganz gesund!“
Trotzdem fragte ich später einen Arzt, der ihn länger mit Spritzen behandelt hatte. „Es stimmt“, sagte er. „Herr Paasch war krank. Er hatte unter anderem eine Nervenentzündung. Für eine Heilung brauchte er einen kraftvollen Impuls. Den mag ihm Gröning gegeben haben.“
Meine Neugier war geweckt. War dieser Fall eine Ausnahme, ein Einzelerfolg? Ich suchte andere Patienten auf – und ich erlebte neue Überraschungen. Darüber werde ich nächste Woche berichten.